Süddeutsche Zeitung   20. Okt. 1999

Fit für sich und Siemens

Seit vielen Jahren tummeln sich deutsche Arbeitnehmer in Betriebssportvereinen - um die Führungskräfte kümmern sich nun auch persönliche Trainer Paul Stodden kommt fast auf die Minute. Die Stunden mit seinem persönlichen Fitness-Trainer plant seine Sekretärin, wie einen ganz normalen Geschäftstermin ein, meist Wochen im voraus", sagt Stodden - eingebettet in einen Arbeitstag von zwölf und noch mehr Stunden. Sein Trainer, Thomas Eberl, Diplom-Sportlehrer, Ernährungsexperte und "ausgebildeterMentaltrainer", wartet schon. Die Begrüßung ist freundlich. Paul und Tom duzen sich. Sobald Stodden den grauen Anzug gegen schwarze Jogginghose und graues T-Shirt mit Siemens-Emblem gewechselt hat, beginnt in seinem privaten Appartement - zwischen Einbauküche und Ledersofa - das rund zweistündige Training. Aufwärmen, Joggen, Rollerskaten, Rad fahren, Gewichte stemmen, Schattenboxen, Wirbelsäulengymnastik und anderes mehr, mal dies, mal jenes, zu Hause im Fitness-Studio, im Park, im Hotel im Büro, wann und wo es Stodden wünscht. Wohlbefinden vor und nach jedem Termin, Gewicht, Trainingsort, -zeit und -dauer, Ziele, Wünsche, öbungen, Wetter und Stimmungen werden im Fitnesspass aus blauem Kunstleder akribisch festgehalten wie die technischen Daten und Inspektionen einer Präzisionsmaschine. Stodden, Sprecher der Geschäftsführung der Siemens IT Service GmbH & Co OHG mit rund 3,1 Milliarden Umsatz und 8000 Beschäftigten, legt vor allem Wert auf Kondition und Koordination. Seit rund zwei Monaten nimmt der Manager persönliche Trainerstunden.

Prävention statt Krankheit
Zwar bietet Siemens ähnlich anderen Unternehmen auch bisher schon seinen Mitarbeitern ein umfangreiches Sportprogramm an. An den "Betriebssportveranstaltungen" bei Bertelsmann im Raum Gütersloh, Rheda und Versmold nahmen 1998/99 nach Angaben,des Unternehmens über 4000 Beschäftigte teil. Die Renner waren Bodystyling, Wirbelsäulen- und Wassergymnastik. "Verstärkt wird erkannt, dass Gesundheitsvorsorge wichtig ist", heiBt es lapidar im jüngsten "Betriebssportbericht" des Medienhauses. In diesem Sommer wurde das Bertelsmann Sport- und Gesundheitsprogramm 10 Jahre alt, Anlass für ein groBes Jubiläumssportfest. BMW gibt jährlich nach eigenen Angaben einen siebenstelligen Geldbetrag für das hauseigene Sport- und Gesundheitsprogramm aus. Unter dem Stichwort "Prävention ist besser als Krankheit" hat der Autokonzern im Juni in München das Zentrum "MOVE Treffpunkt Gesundheit" eröffnet. "Gesunde Mitarbeiter sind das herausragende Unterscheidungsmerkmal für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen", konstatierte damals BMW-Personalvorstand Ernst Baumann. Siemens lässt seine Arbeitnehmer in sogenannten Freizeitgruppen turnen. öber die elektronische Post erhält jeder Mitarbeiter der Konzernzentrale automatisch den monatlichen Gesundheitstipp auf seinen Computer-Bildschirm. In diesem Monat galt er dem Stressabbau bei Konflikten. Seit über 30 Jahren gibt es die Siemens-Kur mit jährlich mehr als 25 00t) Teilnehmern in firmeneigenen Häusern im Bayerischen Wald oder im Fichtelgebirge, weiB Dr. Anneliese Dollinger, Betriebsärztin von Siemens in München-Neuperlach, zu berichten. Persönliche Fitness-Trainer für Führungskräfte sind allerdings nicht nur für den Münchner Elektrokonzern neu. Den Drang zum Sport verspürten Stodden und seine Kollegen vor ungefähr einem halben Jahr. Vorausgegangen waren zwei Beobachtungen, erzählt der Manager. Die eine: "Wir arbeiten alle viel und vergessen über Zeitmangel und Termindruck uns zu bewegen, vielleicht fehlt uns auch die Motivation. " Die andere: "Wir nehmen zu und fühlen uns im Laufe der Zeit alle ein wenig körperlich schlechter und weniger fit." Gemeinsam mit Dollinger suchten Stodden und Kollegen ein flexibles, bundesweit angebotenes Fitnessprogramm. Die "konzentrierten Programme" wie sie auch Siemens anbietet schienen weniger tauglich. "Zwar kommen die Leute nach zwei, drei Wochen durchtrainiert zurück mit einem Programm in der Tasche. " Der Effekt sei aber nur kurzfristig, "nach zwei, drei Monaten fallen sie in den alten Trott", moniert Stodden. "Wir haben nach einer Variante gesucht die dauerhaft erfolgreich ist und sich in schwierige Terminpläne einbauen lässt. " Die fanden sie bei der Münchner The Health Performance Group, einem im Februar 1998 von Inka Faupel gegründeten Unternehmen, das laut Firmenprospekt eine "managergerechte, ganzheitliche Gesundheits- und Leistungsförderung" bietet. Nach einer anfänglichen Durststrecke zählt das Unternehmen mittlerweile bundesweit rund 400 Kunden. Ihre Zahl wächst rasch, sagt Geschäftsführerin Faupel. Zu den Firmen, für deren Führungskräfte sie und ihre drei fest angestellten Mitarbeiter persönliche Trainer organisieren, zählen neben Siemens auch Bertelsmann und Boston Consulting. Faupel, früher Führungskraft in der Kosmetikbranche, vermittelt inzwischen in 12 Städten insgesamt rund 45 freiberufliche Personal Trainer für Körper und Psyche. Das Programm reicht vorrs Ausdauertraining über die Ernährungsberatung bis hin zu Entspannungs- und Atemtechniken. Hinzu kommen Seminare und Vorträge. Die Trainingsstunde kostet ab 159 DM aufwärts. Stoddens Trainer Tom war von Anfang an dabei.

Erfahrungen aus den USA
"Meine Erfahrungen sind sehr gut. Ich fühle mich viel besser und abgenommen habe ich auch", resümiert Stodden: "Das ist kein Knochen brechendes Programm, wo ich nach zwei Stunden erschöpft ins Bett falle und am nächsten Morgen mit Muskelkater kaum raus komme. Ich fühle mich anschließend gut, habe einfach mehr Energie und kann noch Termine wahrnehmen " 28 der 35 Führungskräfte seines Bereichs haben Personal Trainer gebucht. Die Kosten trägt Betriebsärztin Dollinger zufolge zu einem Drittel der Manager, zu zwei Dritteln Siemens. "Das Programm hat einen sehr positiven Effekt auf die Motivation, die Teilnehmer reden darüber und es schafft gemeinsame Anknüpfungspunkte", berichtet Stodden. Im November wollen sich alle Teilnehmer des Siemens-Trainings zu einem "gemeinsamen sportlichen Event" treffen. "Natürlich hat auch Siemens indirekt etwas.davon, wenn die Mitarbeiter sich wohl fühlen", aber diese öberlegung stehe nicht im Vordergrund, versichert Stodden. Ob sich die Fitness- und Gesundheitsprogramme für die Unternehmen rechnet, lässt sich zumindest für Deutschland bislang nur schwer fassen. Ungleich breiter sind die Erfahrungen in den USA, die auch Health Performance gerne zitiert. So habe die Brauerei Coors Brewery knapp 600 000 Dollar in ein Gesundheitsprogramm für die Mitarbeiter investiert und dadurch 1,9 Millionen Dollar gespart, weil die Produktivität stieg, während medizinische Kosten und Fehlzeiten sanken. Bei Johnson & Johnson sanken die Fehlzeiten binnen zwei Jahren um 15 Prozent. PepsiCo errechnete für sein Fitness-Programm eine Rendite von drei Dollar je investiertem Dollar. "In den USA hat Fitness einen sehr viel höheren Stellenwert als in Deutschland", sagt Wend-Uwe Boeckh-Behrens, akademischer Direktor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bayreuth. Persönliche Trainer - in den USA ein eigenes Berufsbild - sind dort nicht nur in den oberen Führungsetagen gang und gäbe. "Es gibt keinen führenden US-Politiker der massiv übergewichtig ist, denn wer keine Kontrolle über sein Körpergewicht hat, dem möchte man auch keine Kontrolle über das Land geben", sagt der Wissenschafter. Das Fitnessangebot sei in den USA ein Qualitätsfaktor, dem erhebliches Gewicht bei der Wahl des Arbeitsplatzes zukomme. Und weil in der Gesellschaft das Image von Sport so hoch sei, lohnten sich Sportprogramme auch für das Unternehmen. Das Wechselspiel scheint mannigfaltig. Eine Rolle spielt Boeckh-Behrens zufolge auch, dass das amerikanische Krankenversicherungswesen stärker auf eigene und betriebliche Vorsorge ausgelegt sei, schon weil eine gesetzliche Krankenversicherung fehlt. Außerdem sind Sportvereine weit weniger verbreitet. Sportliche Vergleiche, in denen die US-Unternehmen meist besser abschneiden als deutsche, seien daher mit Vorsicht zu betrachten. Auch in Deutschland steigt der Stellenwert von Fitness anscheinend. Nach Angaben des Deutschen Sportstudio Verbandes e.V. stieg die Zahl der Studios von 1990 bis 1998 bundesweit um gut 40 Prozent auf 5900, die Zahl der Mitglieder um 130 Prozent auf 3,89 Millionen. In diesem Jahr erwarten die schätzungsweise 6100 Studios 4,5 Milliarden DM Umsatz. Wie immer das Angebot auch aussieht, ob Betriebssportverein, Studio oder persönlicher Trainer, hinter jedem scheint sich die schlichte Erkenntnis zu verbergen, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder und damit leistungsfähigerer Geist steckt. Unstrittig ist, dass Sport all die unter dem Begriff "metabolisches Syndrom" gebündelten Risikofaktoren vom öbergewicht bis hin zur Arteriosklerose, Herzinfarkt und Diabetes entschärft, sagt Boeckh-Behrens. Das "Zauberwort für Trainingserfolge heißt regelmäßig" und das ist für viele Manager das Hauptproblem, sagt der Sportwissenschaftler. Zwei, drei Mal die Woche Ausdauertraining, zwei Mal intensive Gymnastik, drei Mal zehnminütiges Stretching, sollten es schon sein. Dabei sind persönliche Trainer nicht zwangsläufig besser als Betriebssportvereine. "Das Training ist so gut, wie der Trainer gut ausgebildet ist", sagt BoeckhBehrens. Der eigentliche Vorteil persönlicher Trainer sei ihre räumliche und zeitliche Flexibilität. Sie lassen sich sehr viel leichter in den engen Ternunplan eines Managers einbauen. "Natürlich hat es auch Vorteile, wenn der Kunde 45 Minuten lang nur von einer Person betreut wird, die auf die spezifischen Bedürfnisse eingeht, sagt Boeckh-Behrens, der für die auf Sport - und Freizeitanlagen spezialisierte Dorstener Unternehmensberatung Inline persönliche Fitness-Trainer ausbildet. Inline hat bundesweit rund 400 Studios unter Vertrag.

Riesiger Markt
Neu sind solche Trainer nicht, doch waren sie bislang meist Einzelkämpfer Vermittlungsagenturen wie Health Performance sind neu. "Der Markt ist riesig", sagt Boeckh-Behrens. Auch der Bedarf ist da. "Die Leute kennen und warten ihren Körper schlechter als ihr Auto. Deshalb sollten sie sich einen Experten sprich eine gute Werkstatt für ihren Körper suchen", so der Fachmann. Dass sich so ein Potenzial organisiert besser erschließen lässt, haben inzwischen auch andere erkannt. Inline ist dabei, über die angeschlossenen Studios ein Vermittlungssystem für persönliche Fitness-Trainer aufzubauen, das nächstes Jahr starten soll. Wie das Personal-Trainer-Programm bei Siemens weiter geführt wird, ist offen. Angelegt sei es zunächst auf ein halbes Jahr. "Wir glauben, dass wir dann einen nachhaItigen Effekt haben und die Leute von sich aus weiter machen oder individuell einen Trainer buchen", sagt Stodden. Er will weiter mit Tom trainieren.

Elisabeth Dostert

 
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